Der Jesuitenorden und die Kunst

Henrike Stein

Kunst und Ästhetik hatten im Jesuitenorden (kurz erklärt) von Anfang an einen großen Stellenwert. Im Sinne der Propaganda fidei, der Verbreitung und auch Erneuerung des katholischen Glaubens (Stichwort: Katholische Reform – kurz erklärt), dem sich die Jesuiten verschrieben hatten, entwickelten sie sowohl in der Bildenden Kunst als auch in Architektur, Graphik und Skulptur eine eigene jesuitische Ikonographie, welche die (Glaubens-)Ideale des Ordens sichtbar machte. Allgegenwärtig dabei war und ist das „IHS“-Monogramm (kurz erklärt), das die Jesuiten, ausgehend schon von ihrem Gründer Ignatius von Loyola, dem Orden gewissermaßen als Markenzeichen gaben. Das christologische Motiv besteht aus den ersten drei Buchstaben des griechischen Namens Jesu und existierte bereits seit dem Mittelalter in verschiedenen Auslegungen. Mit einem Kreuz über den Großbuchstaben IHS, drei Nägeln darunter und oft mit einem Strahlenkranz versehen, wurde es ab Mitte des 16. Jahrhunderts zu dem Erkennungszeichen des Jesuitenordens. Als Iesum habemus socium, zu Deutsch: Wir haben Jesus als Gefährten, lösten die Jesuiten die Abkürzung für sich auf. [1]

Hieronymus Wierix, Bildnis des Ignatius von Loyola, 1615/1619
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud | Bildnachweis: Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, WRM_G16468-a

Neben dem IHS-Monogramm nehmen die Ordensheiligen, allen voran der Gründer Ignatius von Loyola, eine wichtige Rolle in der jesuitischen Ikonographie ein, ebenso wie Christus selbst. In der Graphiksammlung des ehemaligen Jesuitenkollegs befinden sich mehrere Stichfolgen, Viten und auch Einzelblätter des Heiligen Ignatius. Dargestellt wird er, wie ein Kupferstich der Kölner Sammlung aus dem beginnenden 17. Jahrhundert verdeutlicht, als Ordensgründer, Organisator und Gelehrter. Darauf ist zu sehen, wie er die Ordensregel Regulae Societatis Iesu präsentiert. Aus der oberen rechten Ecke scheint das IHS-Monogramm zu strahlen. Zudem erkennt man dort den nachträglich angebrachten Stempel „Col.“, aus dem hervorgeht, dass das Blatt nach 1794 nach Paris gebracht und Anfang des 19. Jahrhunderts nach Köln zurückgegeben wurde. [2]

Religiöse Bilder spielten folglich eine wichtige Rolle bei der Repräsentation des Ordens nach außen wie nach innen, und dies vor allem im jesuitischen Schul- und Bildungswesen, einem zentralen Faktor der Katholischen Reform. Schon der Ordensgründer Ignatius hatte die Wirkmacht der (religiösen) Bilder vor Augen: Bei Exerzitien oder im Gebet solle man sich die Geschichten, Personen und Szenen vorstellen. Bilder dienten als Hilfsmittel für diese Imagination zur Kontemplation und Meditation und damit letztlich zur Stärkung des Glaubens. (Religiöse) Darstellungen fungierten demnach als Vorbilder für das eigene Handeln, den eigenen Glauben und auch Moral und Tugenden. Dementsprechend empfahl bereits Ignatius, in der Lehre der Theologie und des Glaubens religiöse Bilder als Anschauungsmaterial zu benutzen. [3]

Im Kölner Jesuitenkolleg (kurz erklärt) wurden die Druckgraphiken und Zeichnungen (auch aus Büchern) sowohl bei den Exerzitien als auch im Unterricht des Gymnasium Tricoronatum (kurz erklärt) und im Studium der Theologie verwendet. Die Vorstellungskraft der Schüler sollte durch Bilder ergänzt und gestärkt werden. Um die Bildbotschaften religiöser Darstellungen zu untermauern, wurden sie teilweise durch (Bibel-)Text ergänzt. Das Anschauungsmaterial wurde als aussagekräftiges und überzeugendes Mittel der Bildpädagogik eingeschätzt und zielte auf das Ideal der christlichen Lehre, die perfecta religiosa. Zudem nutzte man sie für Andachts- und Meditationszwecke in der Kollegkirche St. Mariä Himmelfahrt. Religiöse Bildthemen mit jesuitischer Ikonographie, Heiligenviten, Christus- und Mariendarstellungen und Bibelszenen sind demnach häufig in der Sammlung des Jesuitenkollegs vertreten. [4]

Das war aber keineswegs ausschließlich der Fall: Neben religiösen Bildern beinhaltete die Kölner Sammlung von Graphiken und Zeichnungen auch eine Vielzahl profaner Themen, die von antiken Darstellungen über Herrscherbilder, Stadtansichten oder berühmte Bauwerke und Architekturen und Theaterszenen bis hin zu Tieren und symbolischen und emblematischen Darstellungen reichten. Sie dienten ebenfalls als Anschauungsmaterial, so etwa in der Lehre der Heraldik, Geschichte, Ästhetik, Geographie oder Altertumskunde. Im Unterricht der Geschichte fanden profane Bildnisse von (antiken) Herrschern, Philosophen, Dichtern und Gelehrten Anwendung. Die umfangreiche und vielseitige Sammlung fungierte gewissermaßen als universale Bilderenzyklopädie, welche die Bildpädagogik der Jesuiten erweiterte. [5]

Albrecht Dürer, Madonna auf der Mondsichel, 16. Jahrhundert
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud | Bildnachweis: Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_d057944

Über die Anwendung der Graphiken und Zeichnungen als Anschauungsmaterial hinaus führten die Jesuiten in Köln im 18. Jahrhundert auch Zeichen- und Malunterricht ein. Dabei dienten die Blätter aus der eigenen Sammlung als Vorbilder und Vorlagen, vor allem diejenigen nach berühmten Malern wie Michelangelo, Raffael oder auch Albrecht Dürer. Zudem hatten die Jesuiten in ihrer Bibliothek entsprechende Bücher Dürers über die menschlichen Proportionen, die wahrscheinlich auch im Zeichenunterricht herangezogen wurden.

Sogar von den Schülern selbst wurden Kupferstiche als Vorlagen für die eigenen Übungen angekauft. In einer Rechnung aus dem Jahr 1784 – also aus der nachjesuitischen Zeit – führte der junge Adlige Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, der seit 1780 zunächst das Xaverianische Konvikt und dann das Gymnasium Tricoronatum besucht hatte, auf, für welche Dinge er sein Taschengeld verwendet hatte. [6] „Für zwölf Kupferstich zum Nachzeichnen“ gab der Schüler einen Reichsthaler und 55 Stüber aus. [7]

Neben der bildpädagogischen Funktion der Graphiken und Zeichnungen als Lehrsammlung besaßen die Werke des Kölner Kollegs aber auch einen künstlerischen Wert für die Jesuiten, sie wurden durchaus auch um ihrer selbst willen gesammelt und angeschafft. Dafür spricht unter anderem, dass ein großer Teil der Graphiken im Jesuitenkolleg vermutlich nach Mitte des 18. Jahrhunderts in 208 Foliobände eingeklebt wurde, die sehr hochwertig in weißem Pergament und mit vergoldeten Rücktiteln eingefasst waren. Darin waren sie nach Technik, Künstler oder Themen sortiert. Die besondere Präsentation der Blätter, die Systematisierung der Sammlung und die Hängung ausgewählter besonderer Kupferstiche im Jesuitenkolleg verweist auf die Wertschätzung der Sammlung über pädagogische Aspekte hinaus. [8]

 


[1] Vgl. Hildegard Kretschmer, Art. IHS, in: Dies., Lexikon der Symbole und Attribute in der Kunst, Stuttgart 2011, S. 200–201; Dietmar Spengler, Spiritualia et pictura. Die Graphische Sammlung des ehemaligen Jesuitenkollegs in Köln. Die Druckgraphik, Köln 2003, S. 57–114.

[2] Vgl. Claudia-Alexandra Schwaighofer, col. – „ENVOI de COLOGNE“. Die Graphische Sammlung des ehemaligen Kölner Jesuitenkollegs in Paris, unveröffentlichtes Manuskript, München 2011, S. 28–58.

[3] Vgl. Spengler, Spiritualia et pictura (wie Anm. 1), S. 89–202.

[4] Vgl. Spengler, Spiritualia et pictura (wie Anm. 1), S. 291–368.

[5] Vgl. Spengler, Spiritualia et pictura (wie Anm. 1), S. 203–290; Ders., Die Graphische Sammlung des ehemaligen Jesuitenkollegs in Köln, in: Hiltrud Kier / Frank-Günter Zehnder (Hrsg.), Lust und Verlust. Kölner Sammler zwischen Trikolore und Preußenadler, Köln 1995, S. 37–47, hier: S. 39.

[6] Vgl. Elisabeth Schläwe, Die Kindheit des Grafen, aus: Martin Otto Braun / Elisabeth Schläwe / Florian Schönfuß (Hrsg.), Netzbiographie – Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773-1861), in: mapublishing, 2014, URL: https://mapublishing-focus.uni-koeln.de/netzbiographie/ancien-regime/kindheit (06.08.2020).

[7] Taschengeldrechnung Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dycks an seine Mutter Altgräfin Maria Augusta, Köln, 1784: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 577, fol. 85 [Online-Fassung und Transkription, URL:  https://mapublishing-focus.uni-koeln.de/netzbiographie/transkriptionen/taschengeldrechnungen-1784-5 (25.06.2021)].

[8] Vgl. Schwaighofer, col. – „ENVOI de COLOGNE“ (wie Anm. 2), S. 38–47; Dies., Die druckgraphische Sammlung des ehemaligen Kölner Jesuitenkollegs, in: Markus A. Castor u. a. (Hrsg.), Druckgraphik. Zwischen Reproduktion und Invention (Passagen 31), Berlin / München 2010, S. 393–402, hier: S. 400.

Empfohlene Zitierweise
Henrike Stein, Der Jesuitenorden und die Kunst, aus: Gudrun Gersmann (Hrsg.), Bücher, Bilder, Lehrobjekte: Die Sammlungen der ehemaligen Kölner Jesuiten (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00008), in: mapublishing, 2021 (Datum des letzten Besuchs).