Henrike Stein
Damit aber die Naturlehre [= Physik] auf eine begreifliche und gründliche Art der studirenden Jugend möge beygebracht werden, sind die Physikalischen Instrumenten allerdings unentbehrlich.“[1]
Dies schrieb Heinrich Frings (1718–1780), der letzte jesuitische Leiter des Gymnasium Tricoronatum (kurz erklärt), im Jahr 1773: Der Satz zeigt die praktische Ausrichtung des naturwissenschaftlichen Unterrichts an der Schule, die zur alten Kölner Universität gehörte.[2] Die Anschaulichkeit des Unterrichts und das Lehren mit Objekten standen bei den Jesuiten im Fokus. Bereits seit Mitte des 17. Jahrhunderts waren verschiedenste Objekte - wie Vermessungsgeräte, optische Instrumente oder astronomische Apparate - als Lehrmaterialien angeschafft und gesammelt worden. 1702 wurde ein eigenes Sammlungszimmer eingerichtet, das den Namen Musaeum mathematicum (kurz erklärt) trug.[3] Dieses Ereignis markiert den Anfangspunkt des Physikalischen Kabinetts in Köln. Seit 1729 ergänzte eine Sternwarte das Kabinett. Außerdem gab es Labore für chemische Experimente und eine Apotheke. Die Jesuiten legten bis Ende des 18. Jahrhunderts eine umfangreiche Sammlung naturwissenschaftlicher Objekte an, anhand derer zum Beispiel Mathematik und Physik, aber auch Optik, Geographie oder Astronomie gelehrt wurden.[4]
Als der Jesuitenorden (kurz erklärt) im Jahr 1773 aufgehoben wurde, ging das Schul- und Stiftungsvermögen an die Stadt Köln über. Dazu gehörten neben den physikalischen Instrumenten auch die Bibliothek und die anderen jesuitischen Sammlungsbestandteile. Die Instrumente des Physikalischen Kabinetts kamen weiterhin in der Lehre zum Einsatz und standen nun auch einem erweiterten Kreis an Studierenden der Philosophischen Fakultät zur Verfügung.[5]
Nach der Einnahme Kölns durch die Franzosen 1794 (kurz erklärt) wurden große Teile der ehemaligen Jesuitensammlung von französischen Kommissaren nach Paris in den Louvre gebracht, das Physikalische Kabinett verblieb jedoch in Köln. Die von den Jesuiten angelegte Sammlung wurde auch im 19. Jahrhundert während der französischen und preußischen Regierungszeiten (kurz erklärt) im schulischen Kontext genutzt. In der 1798 eröffneten Zentralschule (kurz erklärt) hatte das Physikalische Kabinett einen hohen Stellenwert aufgrund der großen Bedeutung der naturwissenschaftlichen Fächer im französischen Bildungssystem. Die Sammlung und auch die Fachbibliothek wuchsen durch Ankäufe und Reparaturmaßnahmen stark an, sodass sie Anfang des 19. Jahrhunderts nahezu 1.000 Objekte beinhaltete.[6]
Unter dem Physiker Georg Simon Ohm (1789–1854), der 1817 als Oberlehrer an das Gymnasium kam, wurde das Physikalische Kabinett auch als Forschungssammlung genutzt. Das berühmte Ohmsche Gesetz des elektrischen Widerstands entwickelte der Physiker in seiner Kölner Zeit mithilfe der Objekte des Kabinetts.[7] Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden die Instrumente deutlich weniger genutzt, einerseits wegen des Fortschritts der Naturwissenschaften, durch den einige Objekte veraltet waren, andererseits aber auch, weil sie in einem schlechten Zustand, defekt oder unbrauchbar waren. Dadurch verringerte sich der Gesamtbestand der Sammlung deutlich. Zentrale Stücke wie die Globen und Sonnenuhren rückten wegen ihrer kulturgeschichtlichen Bedeutung in den ersten Jahrzehnten des neuen Jahrhunderts in den Fokus von Museen. Die im 20. Jahrhundert nur noch rund 110 Objekte enthaltene Sammlung ging schließlich 1938 als Dauerleihgabe in das Historische Museum der Stadt Köln über.[8] Heute befinden sich die Instrumente im Kölnischen Stadtmuseum.
Alle jesuitischen Objekte des Physikalischen Kabinetts befinden sich in der Datenbank Kulturelles Erbe Köln.
[1] HAStK, Best. 150 (Universität), A 1000, fol. 1r–7v, Abs. 7.
[2] Vgl. Gunter Quarg, Naturkunde und Naturwissenschaften an der alten Kölner Universität, Köln 1996, S. 15–18.
[3] Vgl. HAStK, Best. 223 (Jesuiten), A 12, fol. 267r. Umfangreiche und detaillierte Informationen zur Sammlungsgeschichte, den Objekten und historischen Quellen des Physikalischen Kabinetts unter: Gudrun Gersmann (Hrsg.), Das Physikalische Kabinett – Von der jesuitischen Lehrsammlung zum kulturellen Erbe (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00004), in: mapublishing, 2019, URL: https://kabinett.mapublishing-lab.uni-koeln.de/ (28.06.2021).
[4] Vgl. Josef Kuckhoff, Die Geschichte des Gymnasium Tricoronatum. Ein Querschnitt durch die Geschichte der Jugenderziehung in Köln vom 15. bis zum 18. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Rheinischen Museums in Köln 1), Köln 1931, S. 595; Frank Brill, Das optisch-physikalische Kabinett des Tricoronatums, in: Dreikönigsgymnasium Köln (Hrsg.), Tricoronatum. Festschrift zur 400-Jahr-Feier des Dreikönigsgymnasiums, Köln 1952, S. 118–121, hier: S. 120.
[5] Vgl. Quarg, Naturkunde (wie Anm. 2), S. 118–120.
[6] Vgl. Gunter Quarg, Das Physikalische Kabinett und der Physik-Unterricht in Köln von der Gründung der Ecole Centrale 1799 bis zum Ende der Franzosenzeit 1814, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 65 (1994), S. 113–136.
[7] Vgl. Klaus Pabst, Der Kölner Universitätsgedanke zwischen Französischer Revolution und Preussischer Reaktion (1794–1818), in: Ders. (Hrsg.) / Bernd Heimbüchel, Kölner Universitätsgeschichte II. Das 19. und 20. Jahrhundert, Köln 1988, S. 1–100, hier: S. 39; Josef Schnippenkötter, Ohm in Köln. Beiträge zur Geschichte der Mathematik und Physik zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in: Kölnischer Geschichtsverein (Hrsg.), Georg Simon Ohm als Lehrer und Forscher in Köln. 1817–1826, Köln 1939, S. 63–172.
[8] Vgl. Kölnisches Stadtmuseum, Verzeichnis der Leihgaben für das Haus der Rheinischen Heimat, Köln. Gegenstände aus dem Dreikönigsgymnasium in Köln (Jesuitensammlung) vom 3. November 1938 (Handakten Kölnisches Stadtmuseum).