Schulzeit am Gymnasium Tricoronatum
Vanessa Skowronek
Die Jesuiten wurden eine wichtige Instanz im Kölner Bildungswesen, nachdem sie 1557 den Unterricht am krisengeschüttelten Gymnasium Tricoronatum (kurz erklärt) übernommen hatten. Als Bestandteil der alten Kölner Universität (kurz erklärt) bildete das Tricoronatum gemeinsam mit den beiden Gymnasien Montanum und Laurentianum die Artistenfakultät (kurz erklärt). Unter jesuitischer Leitung wurde die Schule zur tonangebenden Bildungsstätte, die den beiden anderen Gymnasien über lange Zeit in vielerlei Hinsicht voraus war. Das spiegelte sich auch in den schnell steigenden Schülerzahlen wider; die Zahl der Graduierten lag zeitweise so hoch wie in den anderen beiden Gymnasien zusammen.
Schüler im Alter ab etwa zehn Jahren besuchten das Gymnasium. Auf dem Lehrplan standen je nach Jahrgang vor allem Grammatik, Poetik, Rhetorik und Dialektik. Im Übergang zur universitären Lehre schloss der sogenannte philosophische Kurs als Teil der Artistenfakultät an, ein Grundstudium, das mit dem Bakkalareat abschloss. Dazu gehörten die Stufen Logik, Physik und Metaphysik, zu der auch Mathematik und Ethik gehörten.
Schulsystem und -alltag am Gymnasium Tricoronatum zur Zeit der jesuitischen Verwaltung unterscheiden sich natürlich grundlegend vom Schulunterricht, wie er zu unserer Zeit üblich ist. Von Ferien konnte ebenso wenig die Rede sein wie von freien Wochenenden, Feiertage und studentische Feste, an denen kein Unterricht stattfand, gab es damals allerdings häufiger als heute.
Wie können wir uns also einen typischen Unterrichtstag am Gymnasium Tricoronatum vorstellen? Der Schultag am Tricoronatum begann früh morgens. In der ersten Stunde um 6 Uhr wurde der bisherige Stoff wiederholt, bevor der Lehrer neuen Inhalt vortrug. Die zweite Stunde diente der Einprägung des Stoffes. In der Pause um 8 Uhr wurde die Messe besucht, um 9 Uhr folgte eine weitere Unterrichtsstunde. Von 10 bis 12 Uhr gab es eine Mittagspause, bevor weitere zwei Stunden Unterricht folgten. Um 16 Uhr standen lateinischer Grammatikunterricht oder Lektüre auf dem Plan, beziehungsweise für die höheren Klassen Disputationsübungen, in denen die Methodik gelehrt wurde, wissenschaftliche Themen und Streitfragen zu diskutieren und zu erörtern.
Johann Heinrich Löffler, Schüler des Gymnasium Tricoronatum bei der DisputationUniversitäts- und Stadtbibliothek Köln | Bildnachweis: Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_mf016674
Auf die Disputationsklassen legten die Jesuiten großen Wert, Gleiches galt für Deklamationen, also den öffentlichen Vortrag selbstverfasster Reden oder auch Gedichte. Diese Fähigkeiten wurden gezielt gefördert: In den Sonntagsdeklamationen durften die besten Schüler ihre Wochenergebnisse vor der gesamten Schule und teilweise auch öffentlich vor den anderen Schulen in einer feierlichen Veranstaltung präsentieren.
Sonntags war neben den Deklamationsvorträgen besonders Zeit für die theologische Bildung: Der Tag begann für die Unterklassen mit einer gemeinsamen Unterrichtsstunde, in der das Evangelium des Tages erklärt wurde, nachmittags hatte jede Klasse Katechismusunterricht; gelehrt wurde hier nach dem Katechismus von Petrus Canisius.
Ein großer Teil der Unterrichtsstunden war gerade in den unteren Klassen der Grammatik und Syntax der lateinischen Sprache gewidmet. Zunächst dienten dazu vornehmlich die Briefe Ciceros. Die Schüler sollten schnell an den Gebrauch der lateinischen Sprache herangeführt werden, um möglichst selbst zu Rednern etwa nach Ciceros Vorbild werden zu können. Neben Cicero griff man auf klassische Autoren wie Ovid, Vergil, Horaz, Livius, Caesar, Seneca und Martial zurück. Auch Griechischunterricht war vorgesehen, hier befasste man sich beispielsweise mit dem Dichter Aristophanes. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts wurde im Tricoronatum die deutsche Sprache gelehrt und gefördert, vor allem in den unteren Klassen.
Im Laufe des 17. Jahrhunderts stieg die Bedeutung der Naturwissenschaften deutlich an, was zur Anschaffung erster physikalischer Instrumente führte. Hieraus entwickelte sich das Physikalische Kabinett, das durch Instrumente und Apparaturen den praktischen Gebrauch und Unterrichtsexperimente ermöglichte. Es gab beispielsweise Unterricht in Arithmetik, praktischer Geometrie und Geographie. Die Gnomonik, die Lehre von der Sonnenuhr, war Teil des optischen, astronomischen und auch geometrischen Unterrichts; sie fungierte gewissermaßen als Hilfswissenschaft. Hier wurden die Funktionsweise und der Bau von Sonnenuhren erklärt, wobei die verschiedenen Uhren des Kabinetts sowohl theoretisch als auch praktisch in den Unterricht eingebunden wurden.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts sanken die Schülerzahlen am Tricoronatum, da der Lehrplan kaum erneuert worden war und andere Schulen – auch außerhalb Kölns – sich als immer stärkere Konkurrenz erwiesen. Obwohl es unter der langjährigen Leitung des Tricoronatum durch Hermann Joseph Hartzheim ab den 1730er Jahren zu Reformen gekommen war, repräsentierte das Gymnasium zu diesem Zeitpunkt lange nicht mehr die bedeutende Institution in Köln, die es einst unter den Jesuiten gewesen war. Mit dem Fokus auf die naturwissenschaftlichen Lehren sollte sich dies ab der Mitte des 18. Jahrhunderts allerdings wieder ändern: Es wurden zwei als Musaeum (kurz erklärt) bezeichneten Studierzimmer eingerichtet und die vielfältigen Sammlungen wurden erweitert im Unterricht genutzt.
Johann Georg Vogler, Äquatorialsonnenuhr, vor 1765Kölnisches Stadtmuseum | Bildnachweis: Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds
Friedrich August Mottu, Gymnasium Tricoronatum, Marzellenstraße, 1827Kölnisches Stadtmuseum | Bildnachweis: Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_L000393_14
Empfohlene Zitierweise
Vanessa Skowronek, Schulzeit am Gymnasium Tricoronatum, aus: Gudrun Gersmann (Hrsg.), Bücher, Bilder, Lehrobjekte: Die Sammlungen der ehemaligen Kölner Jesuiten (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00008), in: mapublishing, 2021 (Datum des letzten Besuchs).