Berühmt-berüchtigte Bücher
Simon Grigo
In der Bibliothek des Kölner Jesuitenkollegs standen tausende Bücher. Viele der Titel sind heute in Vergessenheit geraten oder nur noch Expert*innen bekannt – das gilt beispielsweise für zahlreiche Lehrbücher und Grammatiken, theologische Abhandlungen und Disputationen sowie Lieder- und Gedichtbände. Andere Titel klingen vielleicht vertraut, stammen aber nicht aus der Zeit der Jesuiten, sondern wurden nachgedruckt: Dazu zählen etwa Literaturklassiker wie die Ilias, die Schriften der christlichen Kirchenväter oder die Werke römischer Geschichtsschreiber. Doch einige der Bücher aus jesuitischer Zeit haben tiefere Spuren hinterlassen, haben die Nachwelt geprägt und erstaunen uns noch heute.
So etwa der Sidereus Nuncius (dt. Sternenbote oder Nachricht von den Sternen), ein Werk, das 1610 in Venedig veröffentlicht wurde. Bekannter als der Text selbst ist bis heute dessen Autor, der aus Pisa stammende Astronom, Philosoph und Mathematiker Galileo Galilei. Er hatte mit einem eigens weiterentwickelten Teleskop bis dahin unbekannte Monde des Jupiter gefunden und den Erdmond in bisher ungekanntem Detail beobachten können. Um seine Entdeckungen bekanntzumachen und mit anderen Forschern in Kontakt zu treten, nutzte er die Möglichkeiten des Buchdrucks. Galilei erkannte auch den Wert graphischer Darstellungen für wissenschaftliche Texte und fügte seinem Werk zahlreiche, auf eigenen Zeichnungen basierende Abbildungen bei – etwa von der Mondoberfläche. In späteren Jahren geriet Galilei in Konflikt mit kirchlichen Institutionen, unter anderem auch mit einigen Jesuiten.
Manche widersprachen seinen Forschungsergebnissen, andere erkannten Galileis Entdeckungen an, einzelne verteidigten ihn gar gegenüber Kritikern aus dem Orden.
Im Katalog verzeichnet war hingegen ein weiteres berühmt-berüchtigtes Buch, die Cautio Criminalis seu de processibus contra Sagas Liber (wörtlich Rechtlicher Vorbehalt oder Buch über die Prozesse gegen Hexen), ein anonym veröffentlichtes Werk des Jesuiten Friedrich Spee von Langenfeld. Dieser trat mit seiner Schrift energisch den Hexenprozessen seiner Zeit entgegen. Der Glaube an Magie und Hexen war tief in der Gesellschaft der Frühen Neuzeit verwurzelt. Demnach galten angebliche Hexen als mit dem Teufel verbündet, sie wurden für alle Arten von Unglücksfällen (zum Beispiel für schlechte Ernten) verantwortlich gemacht und daher vielerorts gejagt, angeklagt und getötet. Zwar bezweifelte Spee in seinem Werk nicht direkt die Existenz von Hexen, aber er wandte sich beispielsweise gegen die Praxis seiner Zeit, Geständnisse der Hexerei mittels Folter zu erpressen. Heute wirken seine Argumente mitunter, als würde Spee die Einwände unserer eigenen Zeit aussprechen: Er hielt die Folter potenziell Unschuldiger für ungerecht und bezweifelte auch den juristischen Wert derart erzwungener Geständnisse.
Dass die Jesuiten mit den großen Geistern ihrer Zeit – nicht nur innerhalb des Ordens – in regem Kontakt standen, zeigt die Dissertatio de arte combinatoria, die 1666 von Gottfried Wilhelm Leibniz veröffentlicht wurde, der in diesem Jahr gerade einmal seinen 20. Geburtstag beging. Gleich im darauffolgenden Jahr schenkte ein gewisser Freiherr Johann Christian von Boineburg, ein Förderer und Freund des jungen Leibniz, das Buch dem Kölner Jesuitenkolleg. Anlass der Zuwendung Boineburgs war wohl die Immatrikulation seines Sohnes am Kölner Kolleg.
Empfohlene Zitierweise
Simon Grigo, Berühmt-berüchtigte Bücher, aus: Gudrun Gersmann (Hrsg.), Bücher, Bilder, Lehrobjekte: Die Sammlungen der ehemaligen Kölner Jesuiten (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00008), in: mapublishing, 2021 (Datum des letzten Besuchs).